Tainá Roma (*1995 in Caçapava/São Paulo (Brasilien) studierte nach ihrer Schauspielausbildung an der Oficina de Atores de São Paulo Theaterpädagogik an der Universidade Estadual do Paraná (Curitiba/BRA). Während ihres Studiums wurde sie ausgezeichnet mit einem Stipendium des Programms PIBID und unterrichtete während und nach ihrem Studium Theater und Kunst an staatlichen Schulen. 2016-18 performte sie auf dem Festival de Teatro de Curitiba, eines der wichtigsten Theaterfestivals Lateinamerikas. Seit 2019 lebt und arbeitet sie in Berlin, seit 2020 als Akteurin in unterschiedlichen Rollen bei ExMe.
» Wie bist du, recht neu in Berlin, auf ExMe aufmerksam geworden? «
Bei einem Theatertraining in Bethanien lernte ich eine Akteurin von ExMe kennen, die mir davon erzählte. Da mir Community Kunst am Herzen liegt und ich von Beruf Theaterpädagogin und Schauspielerin bin, fand ich das interessant und habe ich mich vorgestellt. Dann wurde ich eingeladen und wurde erstmal Bundesfreiwillige bei ExMe. So habe ich angefangen und dann recht unterschiedliche Aufgaben übernommen.
» Welche? «
Ich habe vor allem die Leitung unterstützt und bei der Organisation geholfen. In diesem Zusammenhang war es mir eine besondere Freude, dass durch die Möglichkeit, das Programm der HFS mitzugestalten und meine Vermittlung das brasilianische Theaterensemble Grupo Olho Rasteiro und die Musikgruppe Ipê Roots in diesem Jahr auf den HofFestSpielen auftreten konnten. Verbindungen zwischen Brasilien und meinem aktuellen Wirkungsort zu schaffen, ist mir ein wichtiges Anliegen. Außerdem habe ich in theaterpädagogischen Projekten an der Rosa-Parks-Grundschule gearbeitet, die Kinderwerkstatt Desi Express mitkonzipiert und geleitet und bin Mitglied des hauseigenen Ensembles Multiplex.
» Welcher Aspekt von ExMe ist für dich besonders interessant?«
Der Name! Er bedeutet für mich, Verbindungen zu schaffen zwischen unterschiedlichen Erfahrungen und Kontexten. Für mich war klar, hier kann ich meine Erfahrungen einbringen und z.B. Methoden, die ich in Brasilien angewendet habe, in einem anderen Kontext erproben, wie z.B. in den zuvor genannten Projekten.
» Wenn man an Theaterpädagogik in Brasilien denkt, denkt man sofort an Augusto Boals Theater der Unterdrückten, das für die Anfänge von ExMe eine wichtige Rolle gespielt hat… «
Es gibt aus meiner Sicht einen großen Unterschied darin, wie man sich in Deutschland und in Brasilien auf Augusto Boal bezieht. Das hat auch damit zu tun, dass das zwei sehr unterschiedliche Bevölkerungen sind. In Brasilien ist der Klassenkampf sehr sichtbar und präsent. Dort habe ich in den Schulen auch mit den Methoden von Boal gearbeitet. Meine Schüler:innen kamen aus der unterdrückten Klasse. Ich weiß, dass es in Deutschland viele Gruppen gibt, die mit den Methoden von Boal arbeiten, aber für mich waren hier bisher andere Ansätze wichtiger, auch wenn ich hier ebenfalls Menschen kennengelernt habe, die Unterdrückung erlebt haben oder erleben. Mit Sicherheit kann man auch hier in bestimmten Kontexten die Methoden von Augusto Boal sinnvoll anwenden. In den Projekten, in denen ich gearbeitet habe, besonders bei Desi Express, habe ich vor allem mit Elementen der Drama Methode gearbeitet, die von Beatriz Angela Cabral weiterentwickelt wurde und besonders in Südbrasilien populär ist.
» Die Drama Methode wird vor allem im Schulunterricht verwendet, um Lernen und Erinnern zu fördern. Welche Vorteile bietet sie dir in der außerschulischen Arbeit? «
In Brasilien ist diese Methode ein Teilbereich der Theaterpädagogik und des Theatermachens. Ich halte sie für sehr nützlich, weil man gleichzeitig theatralisch und thematisch arbeiten kann. Das fiktive Setting gibt der Recherche einen starken Impuls. Die leitendende Person hat wie die Teilnehmenden eine (fiktive) Rolle. Das erleichtert den Aufbau von Vertrauen und Beziehung und stellt gleichzeitig auch an die Person, die leitet, die Anforderung, sich in der „gespielten“ sozialen Interaktion zu reflektieren.
» Vielen Dank für diesen interessanten Einblick! Was hast du als nächstes vor? «
Für den Rest des Jahres und im kommenden werde ich in mehreren theaterpädagogischen Projekten arbeiten. Langfristig plane ich eine theaterwissenschaftliche Beschäftigung mit der Schauspielpraxis im brasilianischen Straßentheater. Zwar ziehe ich bald nach Nürnberg, doch werde ich immer wieder auch bei ExMe sein.
» Das klingt aufregend – wir freuen uns auf das nächste Gespräch! Viel Glück bei allem, was du vorhast.«
Das Interview führte Cäsar Gäsdorf.
Fotos (von oben nach unten): Tainá Roma in Richard III und in Prometeu, 2017, ©Juliana Luz, in Multiplex und bei Desi Express 2021 ©André Groth