Abeer Ali Mohamed ist Musikerin, Schauspielerin und Regisseurin und wirkte in zahlreichen Theaterensembles in Alexandria (Ägypten) mit, von denen sie einige selbst gründete. Auf verschiedenen Festivals in Ägypten erhielt sie Auszeichnungen als beste Schauspielerin in Haupt- und Nebenrollen. Heute lebt und arbeitet sie in Berlin, wo sie aktuell Fellow des Programms „Weltoffenes Berlin“ bei ExMe ist und das Projekt Heschek Beschek leitet.
» Was bedeutet Heschek Beschek eigentlich? «
Das ist ein alter Ausdruck aus der arabischen und türkischen Bühnengeschichte. Er ist lautmalerisch und suggeriert ein „Schütteln“, z.B. von Teilen des Körpers. Als Kompliment war er nicht gedacht. Er schreibt Menschen, die auf der Bühne stehen, unmoralisches Verhalten zu. Die Möglichkeit, auf einer Bühne zu stehen, wird Frauen in konservativen arabischen Kreisen und nicht nur dort, auch heute noch oft verwehrt. Wir haben unser Projekt so benannt, um für alle Frauen das Recht einzufordern, sich frei auszudrücken.
» Seit wann gibt es Heschek Beschek und wie ist die Idee dazu entstanden? «
Als ich im 2019 nach Berlin kam, vermisste ich Elwarsha, die Theatergruppe, mit der ich in Ägypten gearbeitet hatte. Der Zufall wollte, dass ich in Berlin einer ägyptischen Kollegin begegnete, die Oud-Spielerin ist und einer deutschen Musiker-Kollegin, die ich in Ägypten kennengelernt hatte. Wir taten uns zu einem Trio für traditionelle arabische Musik zusammen. Dann stellten wir fest, dass wir auch performen und Geschichten erzählen können und begannen unsere Geschichten zu erzählen, also die von Frauen, die darum kämpfen mussten und müssen, um auf einer Bühne zu stehen. Die anderen beiden hatten keinen Theaterbackground, das wurde mein Part. Die Gruppe wurde immer größer und schließlich zu einem Projekt mit Workshops und Auftritten. Frauen, die interessiert sind, sind herzlich eingeladen, dazukommen und mitzumachen, solange sie Zeit haben.
» Was ist dein Hauptanliegen mit Heschek Beschek? «
Wir wollen Freude ins Leben migrantischer Frauen bringen. Frauen in traditionellen Familienzusammenhängen und mit Care-Verantwortungen führen oft ein isoliertes Dasein, ohne Zugang zu Gestaltungsmöglichkeiten oder dazu, sich auszudrücken. Es geht uns darum, ihnen mit den Mitteln der Künste Wege aus Isolation vorzuschlagen, mit ihnen zu erleben, dass wir Frauen genügend Mut und Ressourcen haben, um uns vor einem Publikum auszudrücken. Wir sind immer noch sehr daran gewöhnt, dass Männer entscheiden. Selbst in Deutschland sind Intendanten oder Regisseure zumeist Männer. Heschek Beschek hilft Frauen zu mehr Mut!
» Die Flyer von Heschek Beschek zeigen oft sehr schöne Collagen mit ägyptischen Künstlerinnen, die im ersten Viertel des 20 Jahrhunderts aktiv waren… «
Zu dieser Zeit gab es sehr mutige Frauen, die mit den Regeln brachen. Sie mussten sich „nur“ der patriarchialen Autorität ihrer Familien widersetzen. Heute haben sie nicht nur mit ihren Familien zu tun, sondern auch mit einem autoritären Regime. Der Kampf für Rechte hat mit dem arabischen Frühling nicht aufgehört, doch ist der Widerstand heute in den Untergrund gezwungen; viele sozial und kulturell engagierte Aktivist*innen sind inhaftiert.
» Heschek Beschek ist für alle Frauen. Die Erfahrung mit patriarchal unterdrückenden Verhältnissen, wie du sie beschreibst, ist vielen in Berlin lebenden jungen Frauen in dieser Vehemenz fremd. Wie läuft der Austausch mit ihnen und was wünscht du dir von diesem Austausch? «
Verständnis! Sie können uns unterstützen, uns Kanäle öffnen, um unsere Stimme hörbar zu machen. Auch kann jede mit uns im künstlerischen Ausdruck Erfahrungen teilen. Dabei werden Differenzen sichtbar, die nicht nur dramaturgisch interessant sind. Wir finden aber auch Gemeinsamkeiten, etwa wenn es um sexuelle Belästigung oder um Sexismus geht. Wir Frauen der Welt sollten zusammenhalten!
» Was bedeutet Kultur für dich und warum hast du entschieden, traditionelle Kunstformen wie Bauchtanz oder klassische arabische Musik zu praktizieren? «
Kultur ist für mich ein Zuhause, von dem ich etwas hierher mitgebracht habe. In diesem Sinne brauchen wir alle Kultur, um uns sicher und wohl zu fühlen – wenn das gegeben ist, können wir die verschiedenen Formen von „Zuhause“ mischen. Bauchtanz und die klassische arabische Musik sind eng mit meiner Geschichte verbunden und für mich ein Mittel der Kommunikation. Wir müssen uns hier integrieren, aber das sollten alle tun, auch die Deutschen. Wenn wir uns alle einbringen, profitieren wir vom gemeinsamen kulturellen Reichtum.
» Deine wichtigste Erfahrung mit Heschek Beschek? «
Zu sehen, wie Frauen zum ersten Mal ihre Talente auf der Bühne zeigen und zu wissen, dass sie das mit Heschek Beschek geschafft haben!
» Ein Wunsch für die Zukunft… «
Die Möglichkeit für Frauenrechte eintreten zu können, ohne Angst vor sozialem Druck, Unterdrückung oder gar Gewalt haben zu müssen.
» Danke, Abeer, für den interessanten Einblick in deine Arbeit! «
Abeer Ali Mohamed