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Mein Kiez, meine Spuren (Sommer/Herbst 2021)

Ausgestattet mit Aufnahmegeräten erforschen geflüchtete Jugendliche selbst ihr Leben in Berlin und was sie bewegt. Viele leben seit weniger als einem Jahr in Deutschland. Mit der Hilfe unserer Sound-Kolleg*innen Julia Illmer und Massimo Maio lernen die Jugendlichen, Interviews zu führen, aufzunehmen und mit einem Schnittprogramm zu bearbeiten. Aus dem gesammelten Material entstehen zwei Podcasts über Themen, die den Jugendlichen am Herzen liegen.

Konzept und Realisation: Julia Illmer und Massimo Maio

Tag 1

Wir sitzen vor dem Jugendklub Phönix auf den gemütlichen Palettensofas. Die Sonne scheint. Hört ihr gerne Podcasts oder Radio? Die meisten schütteln den Kopf. Sie schauen lieber Videos auf YouTube oder TikTok. Barry spielt den anderen vor, wie ein Podcast klingen kann. Drei Freunde von ihm haben sich zusammengetan und sprechen regelmäßig über alles, was sie bewegt. Wie werden sich unsere Podcasts am Ende des Workshops anhören?

Tag 2

Unser erstes Interview entsteht. Salim erzählt über das Jugendwohnhaus in der Pfarrstraße, wo er seit neun Monaten wohnt. Er kommt aus dem Libanon und es ist ihm unangenehm, dass sein Deutsch noch nicht perfekt ist. Aber er bekommt auch Lust, selbst Interviews zu führen.

Tag 3

Fragen über Fragen: Wir überlegen uns, welche Themen uns beschäftigen, wen wir dazu interviewen wollen und was wir genau wissen wollen. Viele der Jugendlichen sind ohne ihre Eltern geflohen. Ihre Betreuer*innen und Sozialarbeiter*innen spielen eine wichtige Rolle in ihrem Leben. „Warum willst du mir helfen?“, „Was denkst du über Ausländer*innen“? sind Fragen, die viele interessieren.

Tag 4

Aya will nicht nur selbst ein Interview führen, sondern auch etwas über sich erzählen: Warum sie sich mit ihrem Kopftuch in Marzahn unwohl gefühlt hat und in anderen Berliner Bezirken kaum auffällt. Langsam beginnen wir auch Ideen zu spinnen, wie unsere Podcasts konkret aussehen könnten. Ayas Erfahrungen sollen auf jeden Fall Teil davon werden.

Tag 5

Mittlerweile haben wir schon eine Menge Interviews auf unseren Festplatten. Jetzt ist die Zeit gekommen, sie nochmals zu hören. Was sind die besonders spannenden Stellen? Wie können wir die verschiedenen Töne zu einem großen Ganzen zusammenfügen? Wir beschließen, dass wir in einem Podcast das Interkulturelle Jugendwohnhaus vorstellen wollen. Viele der Jugendlichen leben dort. Was ist euch besonders wichtig? fragt Salim. Wael antwortet: Deutsch lernen, einen Abschluss machen, Arbeit finden. Er selbst will Mechaniker werden. Mortasa würde am liebsten IT studieren und Wazir will irgendwann Apotheker sein.

Tag 6

Wir schneiden aus allen Interviews besonders interessante Passagen raus. Dann wollen wir aber nochmals raus aus unserem Workshop-Raum. Wir packen unsere kleinen Reportagegeräte ein und machen eine Umfrage unter Jugendlichen auf der Straße. Dort treffen wir ein Mädchen, die auch erst seit Kurzem in Deutschland lebt. Sie mag den Kaskelkiez so gerne wie viele von uns, weil es hier so ruhig und schön ist. Andere Jungs, die wir ansprechen, meinen, dass hier für Jugendliche zu wenig los ist.

Tag 7

Langsam rückt unser Termin im Tonstudio näher. Dort wollen wir unter professionellen Bedingungen unsere Moderation aufnehmen. Wir schreiben. Was wollen wir zur Begrüßung sagen? Wann soll welcher O-Ton kommen? Was können wir dazwischen erzählen?
Letzte Interviews entstehen: Shaima will ihre Schwester fragen, ob sie eigentlich je nach Syrien zurück möchte und Mortasa aus Afghanistan erzählt, wie es im Moria-Camp für ihn war.

Tag 8

Mortasa hat heute eine Gitarre mitgebracht. Er hat sich das Spielen über YouTube beigebracht und kann Hits wie Señorita, aber auch ein afghanisches Lied spielen. Das muss auch in den Podcast! Im Internet suchen wir nach Gema-freier Musik, die wir außerdem im Podcast nutzen können. Die Aufregung steigt.

Tag 9

Es ist soweit! Wir sind im Tonstudio. Unser Toningenieur Dan begrüßt uns und richtet die Technik für uns ein. Dann stehen unsere Moderatoren Mortasa, Salim und Emanuel in der Sprecherkabine. Über Kopfhörer hören sie ihre eigene Stimme. Sie holen tief Luft. Dann führen sie durch unsere Podcasts. Was wir an vielen Tagen zusammengetragen haben, wird nun in eine komprimierte Form gegossen. Zwei etwa 15-minütige Podcasts entstehen. Glücklich machen wir uns auf den Weg nach Hause und verabreden uns zum Pizza essen und Hören in den kommenden Tagen.

Die im Workshop produzierten Podcasts sind hier zu hören:

Podcast von den Jugendlichen vom Interkulturellen Jugendwohnhaus
Podcast von Salim über sich und seine Betreuer


Das Projekt wird unterstützt durch das Programm MeinLand – Zeit für Zukunft der Türkischen Gemeinde in Deutschland im Rahmen des Bundesprogramms Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Es wird umgesetzt von einem Bündnis aus den Berliner Einrichtungen Expedition Metropolis e.V., Knüpfwerk e.V. und SozDia Berlin GmbH. Das Bündnis ermöglicht bildungsbenachteiligten, darunter vielen geflüchteten Jugendlichen, sich auf mediale und ästhetische Weise mit ihrer Situation und Umgebung auseinanderzusetzen.